„Ich bin davon überzeugt, dass wir einen gangbaren Weg finden werden!“

24.08.2020 -  

Prof. Achim Kaasch vom Medizinercampus in der Leipziger Straße war als Mikrobiologe in den letzten Wochen und Monaten ein gefragter Experte, auch außerhalb der Uni. Katharina Vorwerk hat mit dem Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene über die vergangenen und noch kommenden Herausforderungen, aber auch ganz persönliche Corona-Erfahrungen, gesprochen.

Prof. Kaasch, es liegen spannende, aber auch aufregende Monate hinter Ihnen. Hat der Wissenschaftler Achim Kaasch neue Pandemie-Erkenntnisse gewinnen können?
Wir haben eine ganz neue Forschungsaktivität im Institut entwickelt. So testen wir zum Beispiel persönliche Schutzausrüstung und Sterilisations- und Desinfektionsverfahren. Wir züchten auch für eine verbesserte Diagnostik Viren an und versuchen herauszufinden, wie lange sie übertragen werden können; Wissen, das für das Verständnis der Virusausbreitung wichtig ist. In Zusammenarbeit mit Professor Benner von der Fakultät für Mathematik gehen wir der Frage nach, wie oft man PCR-Untersuchungen bei Personen ohne Symptome machen muss, um einen Ausbruch zu verhindern bei Personal in Krankenhäusern oder in Pflegeheimen, bei Lehrern oder Schülern. Wir müssen auf diese Fragen einfach selber Antworten finden, weil es sie noch nicht gibt.

Prof. Kaasch im Schutzanzug (c) privat
Prof. Kaasch im Schutzanzug (c) privat


Wie sind Ihre persönlichen Erfahrungen mit Epidemien?
Näher beschäftigt habe ich mich mit dem Ebola-Ausbruch in Westafrika. Ich wäre gern selbst vor Ort gewesen, allerdings hat meine Familie gesagt: „Geht nicht!“ Ich habe das Geschehen dann in meinen Vorlesungen aktuell begleitet und mit den Studierenden ausgewertet. In der Krise werden klassischerweise Bruchstellen deutlich. Das kann jetzt das persönliche Umfeld betreffen, die Arbeitsstelle, die Gesellschaft insgesamt. Auf ganz vielen Ebenen tauchen Bruchlinien auf. Beispielsweise Schule: Plötzlich sind alle Schüler zuhause, die Belastung für Familien ändert sich völlig. Das auf der einen Seite vorherzusagen, beziehungsweise auch gleichzeitig zu beobachten, ist natürlich sehr interessant. Für einen Wissenschaftler ist diese Krise also – bei allem Leid und enormen gesellschaftlichen Problemen – auch spannend und herausfordernd?

Aber auf Ihnen als gefragter Experte drückte auch eine ganz schöne Last. Hatten Sie schlaflose Nächte?
Also, ich habe ganz gut geschlafen, das war kein Problem! Die Schwierigkeit lag eher darin, alle Beteiligten zu überzeugen, dass wir sowohl auf dem Campus, aber auch in der gesamten Stadt keine Zeit verlieren durften. Das war in der Anfangszeit nicht ganz einfach, zumal ich ja auch erst seit November hier bin und nicht auf ein schnell aktivierbares Netzwerk zurückgreifen kann. Ab Ende Februar habe ich dann wenig Anderes mehr gemacht als Pandemieplanung. Es war schon sehr arbeitsreich, aber auf der anderen Seite letztendlich auch erfolgreich, weil sich belastbare Arbeitsstrukturen entwickelten. Magdeburg war bis dahin auch glimpflich davongekommen, weil die Winterferien so früh waren, also vor dem Karneval. Die Kontaktnachverfolgung hat bis dato in der Stadt im Großen und Ganzen sehr gut geklappt. Das ist letztendlich auch der Verdienst der Gesundheitsämter und des Landesamtes für Verbraucherschutz, die zwar im Bundesvergleich schlecht ausgerüstet sind, aber die Probleme sehr ernst genommen haben.

Wie sah denn ein ganz normaler Arbeitstag aus, waren Sie auch im Homeoffice?
Nein, Homeoffice ging gar nicht. Zunächst haben wir die Diagnostik im Institut aufgebaut und die Änderungen im Klinikbetrieb begleitet. Wir haben früh eine Telefon-Hotline eingerichtet und am Anfang auch aktiv China-Rückkehrer kontaktiert. Daneben gab es Beratungsbedarf auf den unterschiedlichsten Ebenen. Unter anderem auch beim Ausbruch in der Flüchtlingsunterkunft in Halberstadt, wo wir die Diagnostik mitgemacht haben. Dort haben wir auch Abstriche in Schutzanzügen gemacht. Dazu die Anrufe bis in den späten Abend und am Wochenende: „Wir haben einen Patienten mit Verdacht auf CoViD-19, was sollen wir tun?“ Dann ging es noch um Ablaufplanungen in den Kliniken, das war ein extrem komplexes Business. Alles zusammen hat einfach einen extremen Raum eingenommen. Ich mache das natürlich nicht alleine. Professor Geginat, der Leiter der Krankenhaushygiene, hat viele Aufgaben übernommen und unsere Oberärztin, Frau Dr. Färber, ist zuständig für die PCR- und auch die Serologie-Diagnostik. Letztendlich hat das gesamte Institut mit angepackt. Aber wir sind im Vergleich zu anderen Unikliniken ein ziemlich kleiner Bereich. In der Anfangsphase lag da schon enormer Druck auf uns und das ganze Institut war am Rödeln. Wir haben einen Schichtdienst eingeführt und setzen mehr Personal am Wochenende ein. Die Belastung ist für alle hoch und zum Teil gehen die Mitarbeiter wirklich auf dem Zahnfleisch. Sind dann noch Kinder zuhause, die nicht betreut werden, kann das manchmal schon eine giftige Mischung sein. Alles in Allem haben das die Institutsmitarbeiterinnen und Mitarbeiter aber sehr gut gemeistert. Jetzt geht es darum, uns bestmöglich auf die kommenden Monate vorzubereiten.

Triagezelt am Eingang zur Uniklinik Magdeburg (c) privat
Triagezelt am Eingang zur Uniklinik Magdeburg (c) privat


Führten diese Herausforderungen zu ungewöhnlichen Kooperationen an der Uni?
Ein wirklicher Mehrwert für mein Fachgebiet an der Uni Magdeburg ist die unkomplizierte Zusammenarbeit mit anderen Fakultäten. Ich wäre ohne Corona wahrscheinlich nie darauf gekommen, Prof. van Wachem aus der Verfahrenstechnik anzufragen, ob jemand einen Prüfstand für Schutzmasken aufbauen könnte. Ich wäre vermutlich nicht mit Prof. Benner aus der Mathematik per Mail in Kontakt gekommen, den ich dann nach Lösungsansätzen zur Testproblematik befragt habe. Er schrieb, er habe seine Post-Docs für genau dieses Problem interessieren können und ob wir mal eine Videokonferenz zusammen machen wollten. Ich finde es super, dass solche Aktivitäten entstehen. Das sind Chancen und Querverbindungen, die muss man nutzen und ganz unkonventionell angehen.

Sehen Sie im Oktober wieder Studierende auf den drei Uni-Campussen?
In der Medizin läuft ja schon einiges an studentischer Lehre wieder. Es wird, denke ich, eine Mischform aus digitaler und Präsenzlehre geben. Ich beobachte gelegentlich die Studierenden bei uns vor dem Haus, da gibt es wenig bis keinen Abstand. Die Gefahr ist einfach nicht mehr so präsent. Es ist natürlich auch so, dass die Gefahr für die meisten Studierenden nicht so groß ist. Viele der Verläufe sind symptomarm, das haben wir mit unseren eigenen Untersuchungen bestätigt. Trotzdem möchte ich nicht, dass die Uni das Zentrum eines Ausbruchs wird. Daher wäre zu überlegen, ob wir nicht einfach ein Test-Center in der Uni aufbauen sollten, um Stichproben zu nehmen. Einfach um zu gucken, ist da was? Das würde mehr Sicherheit bei der Aufnahme des Lehrbetriebs bedeuten.

Wie beurteilen Sie die Lage der jüngsten Ausbrüche in einigen Stadtteilen, rechnen Sie mit einer zweiten Welle, einem weiteren Lockdown?
Der aktuelle Ausbruch wurde etwas zu spät erkannt, so dass sich eine stattliche Anzahl an Personen infizieren konnte. Bisher hat er sich auf eine gesellschaftliche Gruppe beschränkt, so dass ein kompletter Lockdown der Stadt nicht notwendig war. Das Risiko für weitere Ausbrüche ist immer da. Insbesondere wenn die Regeln zu locker gehandhabt werden. Spannend wird es nach der Urlaubszeit und dann im Herbst, wenn auch noch andere respiratorische Viren auf den Plan treten. Da wird vermutlich der ein oder andere Ausbruch auf uns zukommen. Wichtig ist, diese früh genug zu erkennen. Insgesamt sind wir jetzt besser aufgestellt als noch vor Monaten. Daher bin ich überzeugt, dass wir einen gangbaren Weg finden werden.


Prof. Kaasch, vielen Dank für das Gespräch!

Letzte Änderung: 24.08.2020 - Ansprechpartner: Webmaster