Eine Uni-Bibliothek ohne Bücher?

04.01.2018 -  

In einem kurzen Interview denken Bibliotheksdirektor Eckhard Blume und Masterstudent der Medienbildung Max Hutter über die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft von Bibliotheken im digitalen Zeitalter nach. Was hat sich bewährt? Was wird sich ändern? Wie wird die Uni-Bibliothek in naher und ferner Zukunft genutzt? Und stehen dann bald keine Bücher mehr in den Regalen?

VERGANGENHEIT

Welche Aufgaben hatte die Bibliothek vor 10 Jahren, wurde sie öfter genutzt, wurden mehr Bücher ausgeliehen?

>> Eckhard Blume: Bibliotheken waren schon immer, sind auch heute noch und werden auch in Zukunft wichtige Informationseinrichtungen, Orte der Bildung, der Kommunikation und der Begegnung sein. Die Zahl der Bibliotheksbesuche bewegt sich seit Jahren auf einem konstant hohen, ja sogar leicht steigenden Niveau. Wurden 2011 insgesamt 870.000 Bibliotheksbesuche registriert, so waren es im vergangenen Jahr 905.000. Grundsätzlich nicht geändert hat sich die zentrale Aufgabe von wissenschaftlichen Bibliotheken, die bedarfsgerechte Bereitstellung von und Versorgung mit den notwendigen wissenschaftlichen Medien und Informationen. Was sich dagegen im Laufe der vergangenen Jahrzehnte spürbar geändert hat, sind zum einen die fast explosionsartig wachsende Anzahl an weltweit produzierten Medien, egal ob in gedruckter oder elektronischer Form, und die damit verbundene Herausforderung für die Bibliotheken, diese Informationsflut zu identifizieren, aufzubereiten und den Nutzern in einer verständlichen Form zur Verfügung zu stellen. Zum anderen entwickeln sich Bibliotheken immer mehr auch zu Orten des Wissensaustauschs, zu Lern- und Studierzentren – ganz allgemein zu Orten der Begegnung. Insbesondere zu Prüfungszeiten reichen die Plätze in unserer Bibliothek während der Stoßzeiten nicht mehr aus. Die zusätzlichen Öffnungszeiten werden zunehmend in Anspruch genommen. Der leicht rückläufigen Anzahl ausgeliehener Bücher steht eine stetig wachsende Anzahl an Zugriffen auf digitale Angebote gegenüber.

Bibliotheksdirektor Eckhard BlumeBibliotheksdirektor Eckhard Blume 

>> Max Hutter: In der Vergangenheit ging es vermutlich eher darum, den physischen Präsenzbestand der Buchwerke in Bibliotheken zu pflegen und auszubauen sowie Orte zum Lesen und Schreiben zu schaffen. Vermutlich wurden Bibliotheken früher häufiger besucht, aber nicht so intensiv genutzt. Mit der zunehmenden Digitalisierung musste ein Onlinebestand ermöglicht werden, damit Bibliotheksnutzer nicht mehr zwangsläufig an den Standort der Bibliothek zum Arbeiten gebunden waren. Diese Möglichkeit macht die Nutzung von Bibliotheksangeboten natürlich attraktiver. Dem entgegen steht der Wissensbezug durch Angebote im Internet, wie Enzyklopädien oder Suchmaschinen. Das könnte die Nachfrage nach Bibliotheken auf der anderen Seite reduziert haben.

GEGENWART

Wie nutzen Studierende die Bibliothek? Was sind die Vorteile einer Bibliothek in der digitalisierten Gesellschaft?

>> Max Hutter: Ich persönlich nutze die Bibliothek gelegentlich, weil ich weiß, dass ich mich da gut konzentrieren kann. Insofern ist die Bibliothek für mich eher ein Arbeitsraum und diese Beobachtung mache ich auch bei anderen. Dennoch nutze ich die Bibliothek auch häufig, um mit gedruckten Büchern zu arbeiten. Ich denke, da geht es vielen so. Der Vorteil einer Bibliothek ist, dass von überall auf digitale Exemplare vieler Buchwerke zugegriffen werden kann, allerdings auch, dass es trotz der Digitalisierung die Möglichkeit gibt, einen großen Bestand physischer Buchexemplare zu nutzen.

>> Eckhard Blume: Da kann ich Herrn Hutter nur voll und ganz zustimmen. Auffällig ist, dass immer mehr Studierende mit ihrem eigenen Laptop die Angebote der Bibliothek nutzen und dazu auch parallel gedruckte Medien. Die Bibliothek wird vorrangig immer mehr als Lern- und Studierraum mit all seinen Möglichkeiten genutzt. Vor einigen Jahren wurde der Begriff der hybriden Bibliothek geprägt. Ich denke, genau in dieser Bedeutung liegt der Vorteil einer Bibliothek in der digitalen Gesellschaft. Die Bibliotheken stellen den Nutzern aufbereitetes, fachlich strukturiertes Wissen in digitaler und in gedruckter Form zur Verfügung. Der Zugriff kann durch die Lizenzierung wahlweise im ablenkungsfreien Lernort Bibliothek, vom Arbeitsplatz oder von zu Hause erfolgen. Nicht zu vergessen der Vorteil der umfassenden Bereitstellung von Wissen auf absturzfreien, datensicheren und augenfreundlichen Datenträgern – auf Papier. Diese vielfältigen Informationsmöglichkeiten sind ohne eine wissenschaftliche Bibliothek nicht möglich.

ZUKUNFT

Wie wird eine Bibliothek in 5 bis 10 Jahren aussehen?

>> Max Hutter: Ich denke, dass ein Teilausbau zu einer Begegnungsstätte durchaus Sinn macht und bin froh, dass es im Projektraum der UB die Möglichkeit gibt, sich auch mal lauter auszutauschen. Jedoch sollte der überwiegende Teil der Bibliothek ein Klima des individuellen Arbeitens generieren, wie es gegenwärtig der Fall ist. Schließlich kommen viele Nutzer in die Bibliothek, um in Ruhe arbeiten zu können. Bezüglich der Zukunftsaussicht würde ich ein Beispiel aus der Stadtbibliothek Köln anführen. Dort gibt es regelmäßige Vorführungen und Erklärungen eines 3D-Druckers. Das halte ich für sehr interessant. Bibliotheken sind ein Ort des Wissens. Warum sollte man dort nicht auch neue Technologien präsentieren und verständlich machen.

Masterstudent der Medienbildung Max HutterMasterstudent der Medienbildung Max Hutter

>> Eckhard Blume: Bibliotheken sind „Organismen“, die sich ständig und kontinuierlich weiterentwickeln. Die Frage nach zukünftigen Anforderungen war deshalb bereits bei den Planungen unseres Bibliothekgebäudes von zentraler Bedeutung. Nach fast 15-jähriger Nutzung kann ich erfreut feststellen, dass alle aktuellen, aber auch zukünftigen Anforderungen umgesetzt und ermöglicht werden können. Über 700 Arbeitsplätze, ob in Gruppenarbeitsräumen, Einzelarbeitskabinen oder in unterschiedlichen Bereichen des Hauses, ermöglichen es jedem Nutzer, seinen individuellen Platz zu finden. Aktuell werden Ergänzungen und Erweiterungen der Angebote diskutiert, sodass die Bibliothek den vielen Wünschen nach einer Begegnungsstätte und einem modernen Lern- und Studienort mit einer entsprechenden technischen Infrastruktur und hochwertigen inhaltlichen Angeboten weiter gerecht werden kann. Mit dem Auf- und Ausbau einer neuen Abteilung IT-Anwendungen haben wir die Voraussetzungen geschaffen, um die wachsenden digitalen Anforderungen und gleichzeitig eine nutzerfreundliche Bereitstellung, auch der gedruckten Medien, erfüllen zu können.

 

Viktoria Koch

Letzte Änderung: 09.07.2020 - Ansprechpartner: Webmaster